Acht Maßnahmen zur Bekämpfung von Alters­diskriminierung

Kat. Allgemein, Gesellschaft

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Manche sprechen von ihr als Guru, andere als Urgestein: Cindy Gallop begann ihre Karriere in der Werbebranche 1985 bei Ted Bates. Ein Literaturstudium in Oxford hatte sie da bereits hinter sich, erste Erfahrungen im Marketing ebenfalls. Global bekannt wurde sie durch einen TED-Vortrag 2009 zum Thema: Make Love Not Porn. Als Botschafterin der amerikanischen Seniorenorganisation AARP versucht Cindy Gallop nun, den Alterungsprozess neu zu definieren.

Mit ihrer Kampagne Disrupt Ageing (deutsch: den Alterungsprozess neu definieren) will sie Menschen dazu bringen, nicht jedes Mal auszuflippen, wenn eine neue Falte um die Augen auftaucht. Darüber hinaus versucht sie, alle – Männer, Frauen und Unternehmen – dazu zu bringen, ältere Menschen ja nicht zu unterschätzen, nur weil irgendwann der Pensionistenausweis ins Postfach flattert.

„Ich bekämpfe Altersdiskriminierung seit vielen Jahren“, sagt sie. „Ich würde nie wieder jung sein wollen. Das Leben wird immer besser, je älter ich werde. Das Beste am Alter ist, dass ich nicht soviel darüber nachdenke, was die Leute denken. In meinen 20ern und Teenagerjahren war ich in ständigen Unsicherheiten gefangen“.

Bill Thomas vor einer Kreidetafel
Bill Thomas (© Webb Chappell)

Der Autor, Unternehmer, Musiker, Lehrer, Landwirt und Geriater Bill Thomas ist heute einer der kreativsten Denker in der Medizin. Bekannt für seine Innovationen im Gesundheitswesen, tourt er mit einer Age of Disruption Tour rund um Älterwerden durch die Lande. Sein Credo: eine radikale Herangehensweise mit vielen Gesprächen.

„Wir verwenden alle Elemente des Theaters: Sets, Requisiten, Soundeffekte – alles, um eine Erzählung zu schaffen“, erklärt Bill Thomas. „Unser Schauplatz ist ein Ort der Reflexion und des Glücks. Es umfasst Musik, Neurowissenschaften, Geschichte, Biografie, Film und Animation mit einem einzigen Erzählbogen. Es ist ein Sachbuch – das mächtigste.“

Das Problem

„Wenn man sich das Alter in der Werbung anschaut, sieht man am einen Ende wunderschöne weißhaarige, ältere Menschen, die im Sonnenuntergang mit einem goldenen Labrador am Strand spazieren gehen. Am anderen Ende stehen lächerliche Parodien und Karikaturen älterer Menschen“, kritisiert Gallop.

Überstilisiertes Fotos eines Seniorenpaares mit Hund am Strand

Cartoon mit zwei Senioren mit Rollatoren

Cartoon von Gerhard Haderer: Pippi Langstrumpf als alte Frau mit Botox-behandeltem Gesicht
@ Gerhard Haderer 2010

Die Lösung

Stellen Sie ältere Menschen ein, um dieses Bild zu verändern.

„Wenn ältere Personen Werbebotschaften erstellen und produzieren, ist das Problem gelöst“, sagt Gallop. „Ich weiß, wie dringend unsere Werbeindustrie die Erfahrung und das Fachwissen älterer Menschen braucht. Nicht zuletzt, weil Erfahrung und Know-how erstaunlich kosten- und zeiteffizient sind und Erfolge bringen.“

8 Ratschläge gegen Altersdiskriminierung

1) Verkünden Sie Ihre Erfahrung

Sagen Sie Ihr Alter, verkünden Sie Ihre Erfahrung und sagen Sie: „Ich bin verdammt brillant, weil ich so viele Jahre Erfahrung habe.“ Sie sind die Summe aller bisherigen Lebenserfahrungen, Lernergebnisse, Erkenntnisse und Schulungen. Das Alter ist der Ausdruck des enormen Wertes, den man erarbeitet hat. Das versteckt man nicht, sondern trägt es stolz nach draussen.

2) Sprechen Sie über Verlust und Tod

Die zwei Dinge, über die die Leute nicht sprechen wollen, sind Sex und Tod, sagt Gallop. Wenn man den Tod wie ein Tabuthema behandelt, entsteht Stigma. Interessanterweise erfinden Millennials den Tod gerade neu, sagt Gallop.

Sehen Sie sich dazu modernloss.com an.

3) Hören Sie auf, „für Ihr Alter“ zu sagen

Fügen Sie am Ende von Komplimenten oder Beobachtungen die Wörter „für Ihr Alter“ nicht mehr hinzu. Wie in „Sie sehen gut aus für Ihr Alter.“

Geben Sie Freunden oder Verwandten keine Geburtstagskarten, die sich über das Alter lustig machen. Die Denkweise über Altersdiskriminierung zu verändern muss schon bei den kleinen Dingen des Alltags starten.

4) Lebe älter

Wenn Evian mit dem Slogan „Live young“ sagt, dass man wie ein Junger leben sollte, sollte man darauf antworten, dass nicht jeder danach strebt, wieder jung sein zu wollen. Wenn man älter ist, kann man tun, was man will und kümmert sich wenig darum, was andere Leute denken. Man weiss, was einem gefällt. Der persönliche Stil ist einem bekannt. Man hat das Vertrauen, sich selbst zu kennen und so zu akzeptieren.

„Es gibt so viele großartige Dinge, wenn man älter wird. Man hat mehr Freiheit, mehr Geld und kann Dinge tun, die jüngere Menschen erst anstreben“, sagt Gallop. „Ich möchte, dass ältere Menschen über ihre Lebensweise sprechen, damit Werbetreibende und Marken erkennen können, dass der wirklich erstrebenswerte Lebensstil unserer ist.“

5) Sich neu erfinden

„Ich möchte, dass ältere Frauen entscheiden, wie sie reden, aussehen und ficken wollen“, sagt Gallop provokant.

Frauen werden nach 50 Jahren unsichtbar. „Ich fühle mich nicht unsichtbar“, antwortet Gallop. „Diese Aussage ist Blödsinn. Ich gehe zu einer Veranstaltung, bei der die Leute nicht wissen, wer ich bin und wie alt ich bin. Männer schauen eine ältere attraktive Frau genauso interessiert an.“

Gallop wünscht sich auch, dass Arbeitgeber den wirtschaftlichen Aspekt einer Anti-Age-Kampagne erkennen. Der ängstlichste Aspekt von Altersdiskriminierung ist, dass Unternehmen und Arbeitgeber ihren Verlust nicht erkennen, wenn sie ältere Menschen nicht einstellen und fördern.

6) Sex haben

Sexualität wird immer besser, je älter man wird.

„Ich halte mich für immer attraktiver und begehrenswerter, je älter ich werde“, sagt Gallop. „Ich gehe mit jüngeren Männern aus. Mir wurde noch nie so oft gesagt, dass ich schön bin, seit ich mit jüngeren Männern zusammen bin.“ Galopp behauptet, dass ihre zufälligen Beziehungen – aufgebaut auf Vertrauen und Respekt, wie sie feststellt – viel länger dauern als die „ernsten“ anderer. Alleinstehende über 55 erobern gerade die Welt des digitalen Kennenlernens. Hier ein Bericht darüber auf kurier.at.

7) Freunde jeden Alters finden

Die Zukunft ist generationenübergreifend.

In der Zukunft werden jüngere und ältere Menschen als gleichberechtigte Partner bei geschäftlichen Herausforderungen zusammenarbeiten. Es sind nicht nur ältere Trainer und Mentoren für jüngere Menschen, der wechselseitige Fluss von Ideen und Inspiration ist die Zukunft des Geschäfts.

8) Machen Sie auf Fehltritte aufmerksam.

Sie gelten in der Medienbranche als „die Oscars“ der Penionistinnen und Pensionisten: die Senioren-Rose und die Senioren-Nessel. Jeder hat die Chance, besonders gelungene Berichte, Bilder oder Werbungen, die ein positives, ein freundliches Bild vom Älterwerden vermitteln, für eine „Senioren-Rose“ zu nominieren. Wenn Sie sich aber über diskriminierende, klischeehafte oder sogar beleidigende Mediendarstellungen „unserer Generation“ ärgern, dann nominieren Sie diese für eine „Nessel“.

Plakat des Senioren-Medienpreises

Am 20. März 2019 fand auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, des Österreichischen Seniorenrates und des Österreichischen Journalisten Clubs die Preisvergabe der Medienpreise „Senioren-Rose“ und „Senioren-Nessel“ für das Jahr 2018 statt.

In der ORF-Sendung „Daheim in Österreich“ vom 20. Dezember 2018 bezeichnete der Moderator Lukas Schweighofer „Rollator schieben“ als ein dem Alter angepasstes Workout für Arnold Schwarzenegger. Für diese Aussage gab es verdient diese Nessel.

Ab sofort können auf dieser Website Einreichungen zur Senioren-Rose und Senioren-Nessel 2019 online vorgenommen werden.